Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2019; 47(04): 213-222
DOI: 10.1055/a-0947-8428
Originalartikel
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bewertung verschiedener Methoden des Schmerzmanagements während der Behandlung von Klauenlederhaut-Läsionen bei weiblichen Merinofleischschafen

Assessment of different pain management methods for the treatment of claw lesions in Meat Merino ewes
Helena Fieseler
1   Klinik für Klauentiere, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig
,
Romy Weck
1   Klinik für Klauentiere, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig
,
Matthias Kaiser
1   Klinik für Klauentiere, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig
,
Hendrik Müller
1   Klinik für Klauentiere, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig
,
Joachim Spilke
2   Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften, Arbeitsgruppe Biometrie und Agrarinformatik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
,
Norbert Mielenz
2   Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften, Arbeitsgruppe Biometrie und Agrarinformatik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
,
Gerd Möbius
3   Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig
,
Alexander Starke
1   Klinik für Klauentiere, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig
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Publication History

04 October 2018

21 February 2019

Publication Date:
21 August 2019 (online)

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Zusammenfassung

Ziel Das Schmerzmanagement beim Tier spielt aus der rechtlichen und ethischen Verpflichtung des Menschen heraus eine wichtige Rolle für das Tierwohl. Für Eingriffe an der distalen Gliedmaße beim Schaf ist die retrograde intravenöse Stauungsanästhesie (RIVA) eine beschriebene Methode zur Betäubung der Zehe. Bisher hat sie beim Schaf keine breite Anwendung in der Praxis gefunden. Ziel der Studie war, Durchführbarkeit, Sicherheit und Wirksamkeit der RIVA zu überprüfen. Weiterhin sollte ermittelt werden, ob das Schmerzmanagement durch die Kombination aus RIVA und Sedation verbessert werden kann und ob sich diese Methode positiv auf das postoperative Wohlergehen der Tiere auswirkt.

Methoden Bei 36 Merinofleischschafen mit Dermatitis interdigitalis contagiosa und 12 gesunden Kontrolltieren wurde das Verhalten während der Behandlung der Läsionen unter verschiedenen Methoden des Schmerzmanagements bzw. während der Klauenpflege und postoperativ in der Herde erfasst. Die Merkmale wurden mit Scores bewertet und die Ausprägung bei den Tieren in den 4 Studiengruppen (RIVA, Sedation mit Xylazinhydrochlorid + RIVA, Plazebo, Kontrolle) verglichen.

Ergebnisse Die RIVA konnte erfolgreich durchgeführt werden. Lokale Veränderungen im Bereich der Applikationsstelle und des Stauschlauchs bei 2 Schafen heilten vollständig ab. Eine deutliche Reduktion der Abwehrbewegungen während des schmerzhaften Eingriffs belegt die Wirksamkeit der RIVA. Es ist davon auszugehen, dass die RIVA-Tiere aufgrund des Handlings in Rückenlage vergleichbar viel Stress empfanden haben wie die Plazebo-Tiere, denn stressassoziierte Merkmale (Kopfschlagen, Leerkauen) traten in den Gruppen ähnlich häufig auf. Die Sedation führte zusätzlich zur reduzierten Ausprägung schmerz- und stressassoziierter Merkmale (Abwehrbewegungen, Entlastungshaltung, Lautäußerungen, u. a.). Die Xylazinhydrochlorid-RIVA-Tiere entlasteten die betroffene Gliedmaße postoperativ seltener und zeigten häufiger Futteraufnahme sowie Wiederkauen als die Tiere der anderen Behandlungsgruppen.

Schlussfolgerung Die RIVA ist eine einfach durchführbare und sichere Methode zur lokalen Schmerzausschaltung. Eine zusätzliche Sedation reduziert die Stress- und Schmerzantwort. Dieses Schmerz- und Stressmanagement hat zudem einen positiven Effekt auf das postoperative Wohlergehen der Tiere.

Abstract

Objective Pain management during veterinary procedures is a significant component of animal welfare and has legal as well as ethical implications. Even though regional intravenous anaesthesia (RIVA) is an accepted method for painful procedures involving the distal digits of sheep, this anaesthetic technique is rarely applied in the field. The primary goal was to investigate the feasibility, safety and efficacy of RIVA in sheep. A secondary goal was to examine whether the anaesthetic procedure can be improved by combining RIVA with sedation and whether these methods have a positive effect on the postoperative wellbeing of the animals.

Methods A total of 36 Meat Merino sheep with contagious interdigital dermatitis and 12 healthy control sheep were used. Behaviour was observed during treatment of the lame sheep using various pain management protocols and during routine claw trimming of the healthy sheep, and all the sheep were observed after the procedures. The observed behaviours were assessed using scores and the scores compared among the animals of the 4 study groups (RIVA, sedation with xylazine hydrochloride + RIVA, placebo, control).

Results RIVA was successfully conducted in sheep. Local reactions at the application sight and in the tourniquet area in 2 animals resolved completely. A significant reduction in defensive movements during the painful procedure confirmed the efficacy of RIVA. Stress-associated behaviours, including head shaking and idle chewing, occurred with a similar frequency in RIVA and placebo animals, leading to the conclusion that stress levels due to the handling in dorsal recumbency were comparable between these 2 groups. Sedation reduced the frequency of pain- and stress-associated behaviours, including guarding, favouring limbs, vocalisation, idle chewing and bruxism. Xylazine hydrochloride-RIVA animals displayed better weight-bearing in the affected limb, better food uptake and ruminated more postoperatively than sheep from the other study groups.

Conclusion RIVA in sheep is straightforward, safe and effective. Additional sedation reduces the stress and pain response. This pain and stress management has a positive effect on the postoperative wellbeing of sheep.